Bücher sind sicher so unterschiedlich wie ihre Autoren. Und daher ist es auch schwierig, allgemeine Tipps über das Bücherschreiben zu geben. Von mir selbst kann ich nur sagen, dass ich es irgendwie immer versucht habe.
Und beim Schreiben ist es so wie mit allem anderen: Die Übung macht’s!
Für mich gibt es aus schreibtechnischer Sicht vor allem zwei gegensätzliche Phasen im Leben:
Zeit für Action und Aus-Zeit.
Die Action kommt meist von ganz alleine. Egal, ob durch das Studium, die Arbeit, den Freundeskreis, die Hobbys oder Urlaube: Es gibt immer wieder diese Phase, in der ich voll und ganz ausgelastet bin. In der ich an nichts anderes denke als an das, was ich im Hier und Jetzt erlebe. In der ich vielleicht nicht die Zeit finde, vielleicht aber auch einfach nicht die Lust, um abends noch etwas Sinnvolles, grammatikalisch Korrektes zustande zu bringen. In der ich so erfüllt bin von der Realität, dass ich gar keine Fantasie brauche, um mich zu unterhalten.
Das ist die Phase, in der ich unterbewusst Eindrücke sammle, Erlebnisse und Gedanken, die ich möglicherweise irgendwann - und vielleicht erst viel, viel später - aufschreiben möchte.
Genau darauf baut schließlich die zweite Phase auf. Und die ist essentiell wichtig.
Um das Erlebte überhaupt reflektieren zu können, um die Fantasie spielen zu lassen und auch mal Sackgassen im Kopf auszuprobieren, braucht es nämlich ganz besonders eins: Langeweile!
L a n g e w e i l e und N i c h t s t u n !
Aber das ist gar nicht mal so einfach. Denn was genau war das nochmal?
Selbst ein Student von heute, der das große Glück hat, nebenbei nicht arbeiten zu müssen, wird der Langeweile nicht zwangsläufig in seinem Alltag begegnen.
Da gibt es natürlich A) das Studium. Jeder weiß, dass man dafür theoretisch immer etwas tun könnte. Die Theorie ist natürlich nicht die Praxis. Aber allein schon das Wissen, dass man theoretisch etwas machen könnte, ja meistens sogar müsste, wird den Einen oder Anderen sicher erfolgreich davon abhalten, das Faulenzen und Vorlesung-Schwänzen in vollen Zügen zu genießen - Und es als echtes Nichtstun zu zelebrieren.
Und warum sollte man auch?
Man kann seine Zeit schließlich auch anders nutzen und das schlechte Gewissen mit allerhand Freizeitstress in die Irre leiten.
Vorlesungen lassen sich beispielsweise ganz wunderbar gemeinsam schwänzen. Denn Punkt B) Soziale Kontakte ist sicher nicht nur für Studenten ein absoluter Mittelpunkt im Leben. Ob live oder per Whatsapp, Instagram oder Facebook Messenger. Wer hier alle Kanäle voll ausschöpft, der kann die Langeweile getrost für immer aus seinem Leben verbannen.
Und damit nicht genug!
Gerade, wer auf Social Media aktiv ist, weiß, dass man heutzutage C) immer gut in Form bleiben muss, wofür man sich auch noch mit D) mehr oder weniger richtigem Kochen auseinandersetzen sollte, vielleicht ja auch in der eigenen WG - denn siehe Punkt B) - und eine WG wiederum muss man sauber halten und ja, spätestens dann, wenn der letzte Teller mit Quinoa-Kale-Sweetpotato-Resten abgespült ist, sollte man eigentlich endlich mal den Vorlesungstext lesen. Diesmal aber wirklich.
Echtes Nichtstun ist unterm Strich eine Vergeudung. Nichtstun räumt nicht die Wohnung auf, man wird nicht satt davon und es macht ganz einfach keinen Spaß. Nichtstun ist sinnlos. Selbst, wer faulenzt, der beschäftigt sich. Selbst die größte Couch-Potato schaut wenigstens Fernsehen.
Denn wenn gar nichts läuft im Leben, dann doch immerhin Netflix.
Und gibt’s in der Zwischenzeit nicht schon wieder irgendein neues Foto auf Instagram?
Also, was ist Langeweile?
Fakt ist: Langeweile ist L u x u s . Langeweile bedeutet, so viel Zeit zu haben, dass man nicht weiß, was man mit ihr anfangen soll. Und das können sich sicher nur wenige Menschen leisten. Oder zumindest nur ab und zu, phasenweise eben. Die Aus-Zeit ist meist bedeutend kürzer als die tägliche Portion Action. Deswegen gilt es auch, sie wenn möglich gezielt zu pflegen und sogar zu suchen.
Wenn ich rein gar nichts vorhabe, fange ich an zu träumen.
Und das ist herrlich, weil es so grenzenlos ist.
Zum Beispiel kann man sich im Nu an Orte träumen, an denen man gerne wäre.
Wie sieht es dort aus? Wer ist dort? Was könnte dort passieren? Etwas besonders Lustige, etwas Aufregendes?
Wie wäre es zum Beispiel mit einer Trekking-Tour mitten durch einen unbekannten, wilden Kontinent? Oder doch lieber ein Rendezvous an einem klischeehaft weißen Südsee-Strand? Vielleicht träumt man sich aber auch in eine prachtvolle, magische Burg in einer verschneiten Winterlandschaft. Wie schön wäre es, wenn man zaubern könnte! Dann könnte man dies und das und jenes machen. Wie sähe so ein wachechter Zauberer überhaupt aus?
J.K. Rowling hat die Idee zu Harry Potter entwickelt, als sie 8 Stunden ungewollt im Zug warten musste. Und rein gar nichts zu tun hatte außer nachzudenken. Sich mit Fantasie zu unterhalten.
Wenn gar nichts los ist, wenn vollkommene Stille herrscht, dann hilft die Fantasie sehr wirkungsvoll, um die Langeweile zu vertreiben.
Gerade dann, wenn man eine Geschichte schreiben will, sollte man diese Phase also willkommen heißen.
Diese Phase der absoluten Ruhe.
Bloß keine Angst vor einem gähnend leeren Terminkalender. Vor einem Abend allein zu Hause.
(Wobei, zugegeben: Ein wenig zweifelt man schon an der eigenen Sozialkompetenz, wenn man den Abend nicht nur alleine zuhause verbringt, sondern – viel schlimmer – auch noch mit lauter Gestalten, die nur in der eigenen Fantasie existieren...!)
Wenn du aber meinst, dass das auch bei dir funktionieren könnte, dann probiere es doch am besten aus!
Aus-Zeit.
Natürlich nur, wenn du Zeit dafür hast. Aber wenn ja, dann zelebriere sie. Vielleicht bringt sie dich genau wie mich auf die eine oder andere Idee. Eine Idee, die du mit Erlebnissen aus deinen Action-Phasen verbinden kannst. Und wenn das nächste Mal eine Aus-Zeit winkt, dann schmückst du die Idee einfach weiter aus.
Ideensammeln und Ausschmücken: Der erste Schritt zum eigenen Buch wäre damit wohl erledigt.
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